Ich habe mich gefreut, als ich auf der Demonstration gegen die bundes- und europaweite Abschottungspolitik  am 5. Juli diesen Jahres in Hannover das kleine Plakat entdeckt habe. Für mich war gleich klar, was die Demonstrantin ausdrücken wollte: Die Aufnahme von Flüchtlingen gehört zum unverzichtbaren Grundbestand  christlicher Ethik! Wer sich auf christliche Werte beruft, darf diese biblische Aussagen nicht ignorieren, erst recht nicht, wenn er ein großes C in seinem Parteinamen trägt.

Auf Twitter freilich gab es Rückfragen zum Plakat. Sie haben mich neu nachdenklich gemacht.  Es wurde noch einmal  nach dem Sinn der biblischen Aussage gefragt und welche konkrete Absicht die Demonstrantin damit wohl auf dem Protestmarsch verfolgt hat.

In der Tat: was für mich auf den ersten Blick eindeutig und klar schien, muss nicht in gleicher Weise auch von anderen so verstanden werden. Wer zudem überhaupt keinen Bezug zur Bibel und zum christlichem Glauben besitzt, kommt bei dem Satz möglicherweise zu den merkwürdigsten Interpretationen und Fragen. Vielleicht zieht der Hinweis auf Jesus auch schon von vornherein ein unverständliches Kopfschütteln nach sich.

Wie dem auch sei  – mir wurde noch einmal deutlich, wie wichtig die Vermittlung für das Verständnis der Bibel ist! Biblische Worte wirken nicht allein aus sich heraus. Die inspirierende Kraft, die ein biblisches Zitat entfalten kann, entwickelt sich aus ihrem tatsächlichen Lebenszusammenhang. Sowohl der ursprüngliche, überlieferte Textzusammenhang als auch der Kontext, in den biblischen Worte heute gestellt werden – sie bedürfen einer gewissenhaften Aufmerksamkeit. Das gilt nicht nur bei Demonstrationen, sondern zum Beispiel auch in der Werbung, in der Kunst, beim politischen Schlagabtausch im Bundestag.

Das erwähnte Zitat aus dem Matthäus-Evangelium greife ich noch einmal auf.  Möglicherweise gibt es uns nicht nur Antworten, sondern auch neue Fragen mit auf den Weg.  Es  steht ursprünglich im  Zusammenhang einer sog. „endzeitlichen Gerichtsrede Jesu“(Matthäus-Evanglium Kapitel 24 und 25). Diese richtete sich zunächst an die damalige christliche Gemeinde. Der Schlussteil dieser Rede ist auch als Rede von den sogenannten  sechs bzw. sieben Taten der Barmherzigkeit bekannt.  Er  hat in der Geschichte des Christentums für das soziale Handeln bis heute eine außerordentliche Bedeutung. Es geht um ein Tun der Nächstenliebe ohne Ansehen der Person! Jesus identifiziert sich dabei mit dem Fremden, dem Gefangenen, dem Hilfsbedürftigen, dem Kranken … Die Pointe: Die geforderte gute Tat ist losgelöst von der Überzeugung des Täters  (Matthäus 25,37 ff)! Nicht die Gesinnung, sondern die Tat selbst ist entscheidend. Der Täter, die Täterin selbst weiß nichts von der eigenen guten Tat! Dies sollte Trost und Ansporn zugleich sein.

Die Bibel sagt: Nicht irgendwelche  „Gutmenschen“,  sondern Menschen werden gebraucht, Menschen, die menschlich und gerecht handeln! “Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen.”(Mt 25,35)

Aufruf zur Demonstation am 5. Juli 2018

Share Button