Eine Sintflut möchte ich nicht erleben – und doch wächst die Wahrscheinlichkeit von Flutkatastrophen und Überschwemmungen mit jedem Tag. Wir Menschen scheinen  alles daran zu setzen, dass die Bewohnbarkeit unserer Erde vielerorts dramatisch abnimmt oder gänzlich unmöglich wird. Die Verteilungskämpfe um Sicherheit und Ressourcen  sind  bereits in vollem Gang.  Eindringlich hat der letzte Weltklimabericht die Folgen beschrieben,  die zukünftige Generationen zu tragen haben, wenn sich unser heutiges Verhalten nicht radikal ändert.

Um das Schüren von Ängsten geht es bei dieser Beschreibung  nicht.

Und auch die alte Sintflutgeschichte, die mir dabei in den Sinn kommt, hat hierin nicht ihre Pointe! Ja, es ist erstaunlich, dass wir das altmodische Wort Sintflut aus der Bibel bis heute gebrauchen. Gern hat man es als „Sünd(en)flut“  interpretiert, doch ist sein ursprünglicher bis heute erhaltener Wortsinn ein anderer: er meint schlicht eine „anhaltende, große Flut“!  Martin Buber übersetzt aus dem Hebräischen einfach: „Ich aber, da, ich lasse die Flut kommen, Wasser über die Erde“(Genesis  6,17).

Politiker, die den Klimawandel diskutieren ©Issac Cordal, Berlin 2011

Nach mir die Sintflut – ich habe den Eindruck, dass sich diese Einstellung in subtiler Weise immer stärker in unserem Leben einnistet. Menschen fühlen sich angesichts der großen globalen Herausforderungen ohnmächtig. Sie radikalisieren sich, werden zu „Wutbürgern“, oder sie ziehen sich zurück in ihre private Glücksnische, nehmen mit, was sich noch mitnehmen lässt. Rhetorisch fragen wir: Ein Inlandflug im Jahr wird ja wohl erlaubt sein! So viel mehr Energie kostet der neue Computer auch nicht! Die PET-Flasche ist wirklich leichter! Und ein Pappbecher für den coffee to go macht den Kohl auch nicht fett.

Sehenden Auges verschieben wir die Grenzen der Ausbeutung und des Missbrauchs von Natur und Schöpfung immer stärker zugunsten unserer Bequemlichkeit und Lifestyle-Ansprüche. Wissen tun wir es besser, doch wir handeln nicht danach!

Die alte Überlieferung von der Sintflut endet mit einem berühmten Bibelwort. Gott reut das grausame Schicksal der Menschen, und er schließt mit Noah einen neuen Bund: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sonne und Winter, Tag und Nacht (Gen 8,22).

So schlimm kann es also mit der Erde nicht werden! Oder doch? Das Bibelwort ist kein Freifahrtschein für Selbstgefälligkeit und fortgesetztes Unrecht. Es ist ein gutes, befreiendes Wort, weil es uns Menschen einen Verantwortungsraum neu eröffnet.

Nach mir die Sintflut bedeutet in Wahrheit ja vor mir die Sintflut!

Doch der Verantwortungsraum, den das Bibelwort meint, orientiert sich  weder an vorhandenen Weltuntergangsängsten noch am Glück der Egoisten. Wir wissen viel mehr, dass Verantwortung im Du und Wir liegt. Es gilt, das Maß für das gute, gemeinsame Leben  wieder zu finden. Maßlos im biblischen Sinn darf allein die Liebe sein! Was wir nutzen und gebrauchen muss für alle Menschen und alle zukünftigen Generationen erhalten bleiben.

Manche kämpferische Bürgerbewegung wie z. B. im Hambacher Forst oder die Aktion Seebrücke versuchen zumindest ein Zeichen in diese Richtung zu setzen.

Nach mir die Sintflut –  diese (un-)heimliche Maxime der Gegenwart  muss gebrochen werden. Wenn uns das Wasser bis zum Hals steht, ist es zu spät.

Schon die Menschen vor drei-, viertausend Jahren haben dies gewusst.

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