Corona bestimmt immer noch meinen Alltag. Besser gesagt: Ich lasse Corona meinen Alltag (mit-)bestimmen – oftmals mehr, als mir lieb ist. Eine Sache in Zusammenhang mit der Pandemie geht mir immer noch nach und nicht aus dem Kopf. So lade ich Sie zum kritischen Mitdenken ein, wohlwissend, dass wir uns gerade fast auf der Halbzeit zwischen den Weihnachtsfesten befinden.

 

Ein Verzicht, der sich auszahlen soll – vermeintlich

Und zwar geht es um die im vergangenen Herbst eindringlich und vielstimmig zu vernehmende Warnung vor Familienfeiern zu Weihnachten. Eine Art „Slogan“, der hierbei Verwendung fand und sich gerade in mir eingebrannt hat: Feiert schön getrennt – denn sonst wird es „das letzte Weihnachten mit Oma“ sein. Ich glaube, unsere Bundeskanzlerin hat diesen Satz geprägt. Dieser Satz fordert den punktuell-vorübergehenden Verzicht auf soziale Kontakte ein – warnend-drohend.

Ich nehme Corona ganz gewiss nicht auf die leichte Schulter – fragen Sie mal meine Frau. Und ich bin doch eher ein ängstlich-vorsichtiger Typ, wie ich in diesen Tagen lernen musste. Von daher liegt mir der (Lebens-)Schutz von mir selbst, aber auch meiner Mitmenschen sehr am Herzen, besonders auch der eigenen Lieben.

Was mich jedoch bereits im vergangenen Herbst aufgeregt hat und es auch jetzt wieder tut: In diesem drohenden „Slogan“ ist im Umkehrschluss die Annahme impliziert, dass wir das kommende Weihnachtsfest in trauter Glückseligkeit mit Oma feiern werden können – wenn wir jetzt vernünftig sind und auf Distanz bleiben. Das mag sein – es kann aber, leider, genauso gut sein, dass die Oma im Verlauf des Jahres aus ganz anderen Gründen verstirbt. Und das gilt nicht nur für Omas.

 

Meine Lebenszeit – in Gottes Hand

Jenseits der Möglichkeit, dass ein Mensch sein Leben bewusst beenden kann (ob er/sie dazu das Recht hat, wird leidenschaftlich und kontrovers diskutiert), haben wir keine Verfügungsgewalt über den Zeitpunkt unseres Todes. Kein Mensch weiß, wann er/sie sterben wird (was passieren würde, wenn das anders wäre, zeigt der Film „Das brandneue Testament“ auf ironisch-witzige Weise).

Biblisch gehört dies eindeutig in das Hoheitsgebiet Gottes. Und das Leben kann durchaus abrupt enden, wie oft schmerzhaft erlitten werden muss. Wer hier blauäugig durchs Leben geht und Reichtümer „für später“ aufzuhäufen sich anschickt, der kann böse überrascht werden – ja, der ist ein „Narr“, wie es in Lk 12,20 festgehalten wird: „Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast?“ Es gilt generell, was Mt 6,27 anfragt: „Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Spanne verlängern?“

Von daher: Natürlich kann in Corona-Zeiten eine gemeinsame Weihnachtsfeier riskant und gefährlich sein. Doch auch wenn wir auf Nähe verzichten, kann es trotzdem das letzte (gemeinsame) Weihnachtsfest mit Oma sein. Wer weiß das schon.

 

Lebens-erfahrung

Meine eigene Oma ist schon einige Jahre tot. Wir haben sie kurz vor Weihnachten noch im Krankenhaus besucht. Dann sind wir zu uns nach Hause gefahren, quasi ans andere Ende Deutschlands – mit der Perspektive, Anfang des neuen Jahres wiederzukommen. Vielleicht war das schon unrealistisch in dem Moment, als wir gefahren sind. Vielleicht wollte ich es einfach nicht wahrhaben. Auf jeden Fall hat der Rest der Familie, der vor Ort lebt, noch einmal Weihnachten mit ihr im Krankenhaus gefeiert – ich selbst nicht. Wenige Tage nach Weihnachten ist meine Oma gestorben. Und bis heute nagt es ein wenig an mir, dass ich dieses letzte Weihnachten nicht bei ihr war – das macht mich immer noch traurig.

Die Weisheit, die da drin steckt, ist eine Banale – und eine alte. Schon Kohelet wusste: „… Genieß das Leben alle Tage deines Lebens voll Windhauch, die [Gott] dir unter der Sonne geschenkt hat, alle Tage voll Windhauch. […] Alles, was deine Hand, solange du Kraft hast, zu tun vorfindet, das tu!“ (Koh 9,9f.)

Bei aller geforderten Rücksichtnahme aufeinander, bei aller gebotenen Vorsicht im Umgang miteinander – wir dürfen uns nie der Illusion hingeben, wir hätten es schlussendlich in der Hand, dass es nicht das letzte Weihnachten mit Oma ist.

 

Beitragsbild: pixabay_8moments

Share Button